Johann Georg Heine

Johann Georg Heine wurde am 3. April 1771 in Lauterbach im Schwarzwald als Sohn eines Bierbrauers geboren und absolvierte zunächst in Überlingen eine Lehre als Messerschmied. Nach seinem erfolgreichen Abschluss ging er 1788 für zehn Jahre auf Wanderschaft. Begegnungen mit Medizinern in Straßburg, Mainz oder Bonn – um nur einige Stationen zu nennen – weckten sein Interesse an der Konstruktion und Herstellung von chirurgischen Instrumenten und der Operationslehre. Er konnte an zahlreichen Operationen teilnehmen und so seine Kenntnisse der Anatomie des Menschen sowie der zeitgenössischen Operationstechniken vertiefen.

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Johann Georg Heine

Im Jahr 1798 ließ er sich in Würzburg nieder und erhielt die Erlaubnis des Fürstbischofs Georg Karl von Fechenbach zur Errichtung einer Werkstatt für chirurgische Instrumente und Bandagen. In den Folgejahren erwarb er sich einen Ruf als innovativer Instrumentenmacher. 1807 gab er erstmals ein systematisches Verzeichnis chirurgischer Instrumente und Bandagen heraus, dass er bis zu seinem Tod 1838 mehrfach überarbeitete, mit seinen Erfindungen ergänzte und neu auflegte.

Die Napoleonischen Kriege (1807-1811) brachten unzählige Verletzte mit sich, denen Gliedmaßen fehlten. Johann Georg Heine versuchte daher in seiner Werkstatt künstliche Glieder und Gelenke zu entwickeln, um die Situation der Patienten zu verbessern. Ein Ergebnis seiner langwierigen Versuche war ein künstlicher Ersatz für den Ober- und Unterschenkel, den er 1811 in einer „mathematisch-physiologischen Abhandlung über das Gehen und Stehen“ – wie es in der Dissertation von Doris Schwarzmann-Schafhauser zu Johann Georg Heines Schaffen heißt, der Fachwelt vorstellte. Der Instrumentenmacher begnügte sich nicht mit dem Bau von Prothesen.

Aufgrund seiner Kontakte zu Medizinern, vor allem zu seinem Freund Barthel von Siebold (1774 – 1814), Professor für Anatomie, Chirurgie und Physiologie an der Universität Würzburg, wurde er ab 1812/13 immer öfter zur orthopädischen Behandlung von Patienten hinzugezogen. Aufgrund dieser Erfahrungen entwickelte er orthopädische Hilfsmittel wie „Venels Streckbett“ oder „Schregers Streckapparat“ weiter. Sein Ruf eilte ihm voraus, sodass auch außerhalb Würzburgs Patienten seinen Rat suchten. Um die zeit- und kostenintensiven Reisen zu vermeiden, gründete er 1816 eine orthopädische Heilanstalt im Würzburg, die 1822 nach der Königin Caroline von Bayern „Carolinen-Institut“ genannt wurde.

Die Heilanstalt zog zahlungskräftige Patienten aus ganz Europa an und wurde so zu einem wesentlichen wirtschaftlichen Faktor für die Stadt Würzburg. Auch das Kriegsgeschehen führte zu einer großen Nachfrage an Heines chirurgischen Instrumenten. Dennoch geriet Heine in eine wirtschaftliche Schieflage. Der Unterhalt der Heilanstalt überstieg die Einnahmen. Zudem traten immer mehr Wettbewerber auf, die nach Heines Auffassung seine nicht patentierten Entwicklungen nachahmten.

Gleichzeitig scheiterte er in seinem Kampf um wissenschaftliche Anerkennung. Die Universität Würzburg wehrte sich gegen die Verleihung eines Professorentitels an Heine, da er nicht über die entsprechende Ausbildung verfügte.

Im Jahr 1828 wagte er einen Neuanfang in Holland, da er keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr in Würzburg sah. Die Leitung seiner Heilanstalt in Würzburg übergab er an seinen Sohn Joseph Heine (Mediziner) und seinen Neffen Bernhard Heine (Orthopädiemechaniker), die aber beide nur begrenzte Befugnisse hatten. Er selbst ging in die Niederlande und gründete mit finanzieller Unterstützung von König Wilhelms II von Oranien in Scheveningen ein orthopädisches Institut mit balneologischen Behandlungsmöglichkeiten.

Nach anfänglichen Erfolgen machte eine Choleraepidemie ab 1832 einen Strich durch Heines Rechnung. Aus Angst sich anzustecken, verließen viele Kurgäste seine Anstalt. Um den verbliebenen Patienten die Angst vor der Krankheit zu nehmen, entwickelte Heine ein Behandlungskonzept mit Senfmehlbädern gegen die Cholera. Mit dieser Idee wendete er sich von seinem bisherigen Weg des empirischen Arbeitens und Forschens ab und verlor endgültig das Vertrauen der Ärzteschaft in seine Fähigkeiten.

Während Heine in den Niederlanden versuchte, seine Neugründung zu retten, verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Würzburger Heilanstalt so sehr, dass der Rat der Stadt ihm die Firmenleitung entzog und 1835 seinen Neffen Bernhard Heine als Vorstand einsetzte. Denn der Verlust des Unternehmens hätte auch für die Stadt einen großen Verlust in der Stadtkasse ausgemacht. Als Folge von Johann Georgs lautstarken Protest gegen diesen Entscheid, verboten ihm die bayerischen Behörden die Ausübung der Orthopädie in Bayern.

Johann Georg Heine starb 1838 noch bevor er seine jüngsten Pläne, nach England umzusiedeln, umsetzen konnte.

Mit seinen empirisch begründeten Erfindungen neuer orthopädischer Instrumente und Behandlungsmethoden gilt Johann Georg Heine als der Begründer der modernen deutschen Orthopädie-Technik.